Montag, 25. Mai 2015

León - Kolonialstädtchen mit Herz

Eine 18-stündige Reise im Minivan-Shuttle bedeutete zugleich mein Abschied aus Guatemala. Ich verbrachte nochmal 3 Tage bei Angie und Giallo in Antigua. Am letzten Abend war mal wieder kräftiges und langes Feiern angesagt. Mir war es sehr recht. So konnte ich Antigua so in Erinnerung behalten, wie ich es kennen gelernt hatte. Außerdem startete der Minivan-Shuttle bereits um drei Uhr morgens und so war sicher gestellt, dass ich ausgiebig schlafen würde. Lediglich eine längere Pause auf der Hälfte der Strecke sowie die drei Grenzübergänge Guatemala-El Salvador, El Salvador-Honduras und Honduras-Nicaragua sorgten bei mir für zwischenzeitliches Erwachen. 
Mein erstes Ziel in Nicaragua sollte das Kolonialstädtchen León werden. Hier geht es weitaus weniger touristisch zu als beispielsweise in Antigua. Dennoch wurde mir schnell klar, warum León ein Anziehungspunkt für so viele Reisende ist. Es sind nicht die verfallenen Kolonialbauten wie beispielsweise die zahlreichen Kirchen. Vielmehr ist es die Tatsache, das León eine sehr politische Stadt ist und außerdem in der Geschichte von Nicaragua eine große Rolle spielte. Die Einwohner äußern gerne offen und direkt ihre eigene politische Meinung, was in einem Land mit links orientierter (sozialistisch geprägter) Regierung eher untypisch ist. 


Am Tag nach der Ankunft traf ich auf dem Parque Central direkt vor der Kathedrale Eugene, einem jung gebliebenen Neuseeländer, der am Vortag im selben Minivan wie ich nach León reiste. Wir buchten zusammen für den Folgetag eine Volcano-Boarding Tour. Hierbei hanbelt es sich um eine ca. einstündige auf den Gipfel eines nicht-aktiven Vulkans mit anschließender Abfahrt sitzend (wer sich traut auch gerne stehend) auf einem speziell für den gerölligen Untergrund angefertigten Brett. Für Eugene und mich ging es zusammen mit anderen Travellern am frühen Morgen auf den ca. 1000 m hohen Cerro Negro, eine Stunde von León entfernt. Es war eine tolle Tour, alle aus der Truppe waren super drauf und die Abfahrt auf dem Board machte einen riesen Spaß. 


In meinem Hostel in León lernte ich Leticia aus Frankreich kennen. Zusammen mit ihrer Freundin Julie hatte sie gerade ein vierwöchiges Praktikum in einem Kinderhilfsprojekt iin der Nähe von Managua, der Hauptstadt Nicaraguas, hinter sich gebracht, was als Ergänzung zu deren Krankenschwesterausbildung diente. Julie traf einem Tag nach meiner Vulkantour in León ein. Zu dritt fuhren wir zusammen im Bus zum nahegelegenen Strand Las Peñitas. Dieser Strand erwies sich als der schönste im Pazifik, den ich während meiner bisherigen Reise besucht hatte. Zu dieser Zeit des Jahres waren die Flutverhältnisse so optimal, dass sich direkt vor unserem Hostel eine große Sandbank bildete, umrandet von einem Badeloch, was Wasser aus dem weiter hinten gelegenen Meer bezieht. 


Montag, 18. Mai 2015

El Salvador - eines der angeblich gefährlichsten Länder der Welt

Wie oft passiert es während so einer langen Reise, dass man ursprünglich gedachte Routen nicht einhält. Mir geht es spätestens seit meiner Ankunft in Guatemala so. Je mehr Menschen ich unterwegs kennen lerne, desto mehr komme ich auf neue Ideen und verwerfe vorherige Meinungen. Ein gutes Beispiel dafür ist mein einwöchiger Aufenthalt in El Salvador, dem von der Fläche her kleinsten Land Zentralamerikas. Vor und zu Beginn meiner Reise nannte ich dieses Land immer auf der Liste der Länder, die ich nicht vor hatte zu besuchen. Zu gefährlich, zu viel Gewaltpotential, zu viel Bandenkriminalität ... das ist das, was man so über El Salvador hört und liesst. Mich stimmten zwei Dinge um. Zum einen erfuhr ich von vielen Seiten, dass die Salvadorianer zu den freundlichsten und herzlichsten Völkern Zentralamerikas gehören. Hinzu kam noch, dass Cecilia und Cecilio (das Hotelbesitzerpaar aus Monterrico aus - siehe Ende letztes Kaptitel) mich zu sich nach Hause in San Salvador, der Hauptstadt von El Salvador, einluden. 
Zwischen den Hauptstädten Guatemala-Stadt und San Salvador sind es gerade mal 5 Stunden Fahrt im bequemen Reisebus, inklusive der Wartezeit an der Grenze beider Länder. 
Nach meiner Ankunft holten mich Cecilia und Cecilio vom Busterminal ab und wir fuhren zunächst zu ihnen nach Hause, da Cecilio und ich uns das Champions League Halbfinal-Spiel Juventus Turin - Real Madrid ansehen wollten. Auch am darauf folgenden Tag war Fußball Thema des Tages, nämlich das andere Halbfinale FC Barcelona - FC Bayern München. Das Ergebnis von 3:0 zugunsten der Spanier freute natürlich Cecilio, mich dafür um so weniger. Dann hatte ich aber auch erstmal genug von Fußball. Ich schaute mir zusammen mit Cecilia noch ein wenig das Zentrum der Hauptstadt an. Hier geht es laut und chaotisch zu, andererseits ist es eines der wenigen Bereiche der Stadt, die noch den ursprünglichen Flair haben. 


In den meisten anderen Stadtvierteln überwiegt mittlerweile der Kommerz von amerikanischen Handels- und Fast-Food-Ketten. Es wird für mich immer ein Rätsel bleiben, dass in so vielen Großstädten Lateinamerikas die Konsummöglichkeiten immer größer werden, während der Großteil der Bevölkerung hungert und nie lesen und schreiben lernen wird. In El Salvador kommt hinzu, dass seit nunmehr 11 Jahren der US-Dollar als Landeswährung gilt. Das ergibt überhaupt keinen Sinn und wenn man es genau nimmt ist es sogar komplett widersprüchlich. Die Mara Salvatrucha und die Mara-18, zwei der bekanntesten Jugendgangs Zentralamerikas mit salvadorianischer Mitgliedermehrzahl entstanden in Kalifornien in den 80er Jahren, in der Zeit als in El Salvador Bürgerkrieg herrschte und tausende Salvadorianer in die USA flüchteten. Nach Beendigung des Bürgerkriegs, der von der US-Regierung sogar durch Waffenlieferungen unterstützt wurde, wurden eine Vielzahl der straffällig gewordenen Salvadorianer wieder in ihr Heimatland abgeschoben. Die Gewaltbereitschaft der Mara-Gangs wurde in deren Heimat dadurch nur größer und mittlerweile führen die USA beide Gangs, die sich vor allen untereinander bekriegen, in der schwarzen Liste international krimineller Organisationen. Ich persönlich finde es schade, dass El Salvador durch Negativschlagzeilen in Verruf geraten ist und daher vielende Reisende dem Land fernbleiben. In der Tat ist es ein wunderschönes Land, was einiges zu bieten hat, auch wenn es nicht ganz einfach ist, es als einzelner Backpacker zu bereisen. Bis auf das Transportangebot in die Nachbarländer, gibt es keine Reisebusse, sondern nur die berüchtigten Chickenbuses. 
Nach meinem zweitägigen Aufenthalt in der Hauptstadt, stieg ich in einen dieser Hühnerbusse nach Playa El Tunco an der Pazifikküste. Der dortige Strand ist bezaubernd und bietet beste Bedingungen für Surfer. Leider wurde es auch diesmal nichts mit einem Surf-Anfängerkurs. Knapp eine Woche zuvor hatte hier nämlich ein Mini-Tzunami stattgefunden, weshalb die Küste zum Zeitpunkt meines Aufenthalts noch größtenteils aus kopfgroßen Steinen bestand und somit die Bedingungen für Surfanfänger ungeeignet waren. 


Meine letzte Station in El Salvador war die Ruta de las Flores (Blumenroute) im Nordwesten des Landes. Hierbei handelt es sich um eine 36 km lange Gebirgsstraße. Die bunte Vegetation mit zahlreichen Wasserfällen und Vulkanen im Hintergund wirkte auf mich nicht nur einladend, sondern vor allem überaus friedlich. Von dem Gedanken, es handele sich hierbei um eines der gefährlichsten Länder der Welt, war ich hier weit entfernt. Ich ließ mich in Juayúa nieder, einem der kleinen kolonialen Dörfer entlang der Blumenroute. In meinem Hostel hatte ich das Glück mich mit César, dem jungen Besitzer des Hostels, anzufreunden. Am Muttertagnachmittag, als er und zwei Freunde von ihm sich entschlossen hatten ins 15 km entfernte Ataco zu fahren um sich ein Jazzkonzert anzuhören, lud er mich ein mitzukommen. Selbstverständlich sagte ich zu. Allein schon die Mitfahrt auf der Ladefläche des Pickups von César war es wert. In Ataco erfreute ich mich neben dem Jazzkonzert an dem Anblick der mit Kunst bemalten Häuser. 


An meinem letzten vollen Tag in El Salvador machte ich noch eine Tour durch den umliegenden Urwald, vorbei an mehreren kleinen Wasserfällen. Dies war wahrlich kein Spaziergang und ohne den Guide wäre dies undenkbar gewesen. An einem der Wasserfälle musste ich mich sogar abseilen, wohlgemerkt ohne Sicherung. 



Am Tag drauf fuhr ich über mehrere Umwege zurück nach Guatemala, was geografisch gesehen eigentlich unsinnig war, denn meine Reise sollte ja stets Richtung Süden gehen. Doch es gab in Guatemala-Stadt noch etwas sehr wichtiges für mich zu erledigen, was vorher zeitlich nicht möglich gewesen war. Vor meiner Abreise aus Deutschland hatte ich bei meinen Abschieden Geld gesammelt. Dies wollte ich PROCEDI spenden. Saskia und die Direktorin des Projekts schlugen mir vor, damit einen Ausflug mit den Kindern zu finanzieren. Also ging es zwei Tage nach meiner Rückkehr aus El Salvador mit den Kindern zu einer dem Projekt nahegelegenen Fußballanlage mit Kleinfeldern aus Kunstrasen. Diese wurden für drei Stunden gemietet um ein Turnier zu veranstalten. Die Kinder hatten einen riesen Spaß. Mit dem Geld wurden außerdem Getränke, Essen und Eis eingekauft. Es war auf meiner Reise der bis dahin für mich emotionalste Moment, die Kinder so fröhlich und so viel Spaß habend zu sehen. 


An dieser Stelle möchte ich meinen Freunden und Ex-Kollegen aus München für die Spenden tausend mal danken. Mit eurer Unterstützung habt ihr Kindern einen wundervollen und unvergesslichen Tag bereitet.





Mittwoch, 6. Mai 2015

Ciudad de Guatemala - Besuch bei einer guten Sache

Was hatte ich nicht alles über diese Stadt gehört und gelesen. Dreckich, gefährlich und verkehrstechnisch ein absoluter Supergau - in der Summe waren das die meist genannten Erläuterungen zu Guate, so wie die Hauptstadt Guatemalas von Einheimischen oft genannt wird. "Was um Gottes Willen willst du dort?" Diese Frage wurde mir seit meiner Ankunft in Guatemala oft gestellt, nachdem ich erzählte, dass ein mehrtägiger Besuch von Guate für mich ganz oben auf der Prioliste stehen würde. 
Tatsächlich gab es für mich einen sehr guten Grund diese Stadt aufzusuchen. Meine Exfreundin Saskia war hier über drei Jahre lang Leiterin des Schulsozialprojekts PROCEDI (www.procedi.de). Das Projekt wird u.a. unterstützt durch Patenschaften in Deutschland. Durch diese Hilfe bekommen Kinder, die mit ihren Familien in einem Armenviertel in Guatemala-Stadt wohnen, eine Schulausbildung.
Saskia und ich lernten uns nach ihrer Rückkehr nach Deutschland kennen, als sie für das Projekt ehrenamtlich tätig war. Während unserer Beziehnung äußerte ich mal den Wunsch, ebenfalls PROCEDI durch eine Patenschaft zu unterstützen. So kam es, dass Saskia mir eine Patenschaft vor vier Jahren vermittelte. Für mich bestand nie ein Zweifel, dass ich mit einem kleinen Bruchteil meines Gehalts viel Hilfe bewirken könne, auch nicht nachdem Saskia und ich uns trennten. Mittlerweile ist sie wieder hier her gezogen und unterstützt weiterhin PROCEDI in beratender Funktion. 
Ich freute mich schon seit Tagen auf das was kommen würde, nicht nur mein Patenkind endlich persönlich kennen zu lernen, sondern das Projekt, von dem mir Saskia immer sehr viel erzählt hatte, persönlich besuchen zu können. Am 29. April war es endlich so weit. Saskia holte mich sogar persönlich mit dem Auto in Antigua ab. "Es freut mich dich zu sehen. Du siehst ja sehr erholt aus. Das Langzeitreisen scheint dir ja gut zu tun". Mit diesen Worten begrüßte mich Saskia und kurz darauf fuhren wir dann auch Richtung Guate und hinein in die Zone 18. Während der Fahrt erzählte sie mir wie unterschiedlich die einzelnen Zonen der Stadt sind. Während in Gegenden wie Zone 10, Zone 13 oder Zone 14 viele gutverdienende Menschen leben und man sich dort einigermaßen sicher fühlen kann, ist die Zone 18 mit die unbeliebteste von allen. Hier findet man die meisten Armenviertel und Kriminalität ist hier leider ständig zu Gange. Eines dieser Viertel, wo sich normalerweise kein Reisender hin verlaufen würde, ist Lomas de Santa Faz. Dort befindet sich PROCEDI. 
Die Schule besteht aus drei Stockwerken mit insgesamt 4 Klassenräumen und einem kleinen Schulhof, der auch für den Sportunterricht genutzt wird. Im obersten Stockwerk ist der Speisesaal. Hier bekommen die Kinder Frühstück und Mittagessen, was ebenfalls eine Leistung ist, die durch die Patenschaften finanziert wird. Von hier aus hat man einen Blick auf die Umgebung von Lomas de Santa Faz. Dieses Bild ist wahrlich erschreckend. Menschen wohnen hier in Hütten, die nur durch ein Blechdach abgedeckt sind.


Die Freude der Kinder, wenn Saskia im Projekt ankommt, ist jedesmal riesig. Noch mehr freuen sich die Kinder wenn zusätzlicher Besuch kommt, am meisten wenn sie wissen, dass es sich um Paten aus Deutschland handelt. Mein Patenkind Lisette lernte ich schon kurz nach unserer Ankunft kennen. Im Vergleich zu vielen anderen Kindern aus dem Projekt ist sie eher schüchtern, dennoch merkte man es ihr an wie sehr sie sich freute mich endlich persönlich kennen zu lernen. Bisher kannten wir uns nur von ein paar Briefen und Bildern. 


Ich hatte aber einfach alle Kinder gern. Sie spielten, lachten, sprangen um mich herum, umarmten mich und ließen sich gerne fotografieren. Natürlich stellten sie mir auch sehr viele Fragen. Ob ich Kinder habe, ob ich verheiratet bin, ob mir Guatemala gefiele, wohin ich schon überall gereist wäre, wie der Schnee in Deutschland sei ... sie waren einfach an allem so interessiert. 
Ich verbrachte gerne Zeit im Projekt. Es war ein so unbeschreiblich schönes Gefühl, die Kinder so fröhlich zu sehen, gleichzeitig wissend, dass sie in doch so traurigen Verhältnissen leben.



Während meines Aufenthalts in Guate übernachtete ich bei Markus, einem Deutschen, den ich im Surfcamp El Paredon eine Woche zuvor kennen gelernt hatte und der mit anbot bei ihm zu übernachten. Markus ist seit 4 Monaten hier und arbeitet für ein Investmentunternehmen. Zusammen fuhren wir am Wochenende des 1. Mai wieder an den Strand, diesmal nach Monterrico, dem beliebtesten Wochenendziel für Einwohner aus Guate. Durch das verlängerte Wochenende war es nicht ganz so einfach eine Unterkunft zu finden. Es sollte sich aber herausstellen, dass wir am Ende genau das richtige Hotel gewählt hatten, auch wenn es preislich etwas über meinem Budget lag. Es handelte sich um ein kleines Hotel direkt am Strand namens "Marbella Eco Lodge". Die Besitzer waren ein sehr nettes Ehepaar, die wohl auch durch ihre Vornamen Cecilio und Cecilia zusammen gefunden haben. Cecilia ist aus El Salvador und arbeitete mehrere Jahre in Spanien. Cecilio, ein Spanier aus Bilbao, ist einer dieser Menschen, mit denen man sich stundenlang unterhalten kann und man nicht müde wird. Ich würde ihn mal so beschreiben: Einem Gemisch aus einem Mega-Intellektuell und einer großen Portion Humor, dazu eine Lebens- und Berufserfahrung in Ländern wie Spanien, Deutschland, USA, Irak, Dominikanische Republik, Guatemala und El Salvador. Hinzukommt, dass er früher als Ingeneur, heute als Kunstmaler und Schriftsteller arbeitet. Unfassbar was er alles zu erzählen hatte. Beide leben zurzeit in El Salvador und kommen an den meisten Wochenenden hierher um ihr Hotel auf Vordermann zu bringen.