Mittwoch, 12. August 2015

Rio Amazonas - auf dem wasserreichsten Fluss der Welt in das größte Land Lateinamerikas

Bei meinem Abschied aus Bogotá Ende Juli spielten meine Gedanken ziemlich verrückt. Einerseits hatte ich mich sehr schnell und gerne an die Geborgenheit durch die Familie meiner Mutter gewöhnt, weshalb mir der Abschied echt schwer viel, und dies obwohl ich wusste, dass ich zum Ende meiner Reise zurückkommen würde um aus Bogotá nach Deutschland zurück zu fliegen. Andererseits war ich kurz vor einem meiner Highlights auf meiner Reise, einer langen Schifffahrt auf dem wasserreichsten Fluss der Welt, dem Rio Amazonas.


Um dieses Abenteuer beginnen zu können, musste ich gezwungenermaßen erstmal in einen Flieger steigen. Ziel war die Kleinstadt Leticia, dem südlichsten Punkt auf der Landkarte Kolumbiens. Hier gibt es weit und breit nicht viel außer zwei Dinge: Den scheinbar unendlichen Regenwald und den Amazonas. Zusammen mit Santa Rosa (Peru) und Tabatinga (Brasilien) stellt Leticia das Dreiländereck der drei Staaten am Amazonas dar. Leticia und Tabatinga sind quasi zusammengewachsen, so dass man ohne Grenzkontrolle einen Fuß auf brasilianischen Boden setzen kann. Lediglich für eine Weiterreise in Brasilien muss man sich einen Ausreisestempel holen. 
In meinem Hostel in Leticia (nur 5 Minuten von der gedachten Grenze zu Brasilien entfernt) lernte ich den sehr lebensfreudigen Japaner Naoky kennen. Sofort überraschte es mich, dass er für einen Asiaten erstaunlich gut Spanisch spricht. Als ich ihm dann erzählte, dass ich meine Reise vier Monate zuvor in Mexiko begonnen hatte, lächelte er äußerst erfreut und erzählte mit voller Stolz: "Ich lebe seit 10 Jahren in Mexiko, im Bundesstaat Baja California Sur (Süd-Niederkalifornien)." Naoky machte einen mehrmonatigen Urlaub während der Hurricane-Saison in seinem Zuhause in Mexiko, hielt sich zunächst mehrere Wochen an der Pazifikküste Perus auf und besuchte dort Freunde, die er über viele Jahre während seiner Leidenschaft, dem Surfen, kennen gelernt hatte. Da er noch über einen Monat Zeit hatte um in Mexiko wieder seine Arbeit als Sushi-Koch aufzunehmen, entschloss er sich, ähnlich wie ich, über den Amazonas nach Brasilien mit dem Schiff zu fahren. Als wir uns kennen lernten, hatte er bereits seine erste Schifffahrt hinter sich, nämlich von Iquitos in Peru (wo der Amazonas lt. vielen Meinungen beginnt) zum Dreiländereck. 
Nach zwei Nächten in Leticia machten mein neuer japanischer Freund und ich einen langen Spaziergang. Zunächst ging es zum 2 km entfernten Flughafen, an dem ich auch zwei Tage zuvor gelandet war. Dort mussten wir uns unseren Ausreisestempel von den kolumbianischen Behörden holen. Danach ging es mehrere Kilometer wieder in die andere Richtung, über die gedachte Grenze auf die brasilianische Seite zur Polícia Federal do Brasil in Tabatinga. Hier erhielten wir unseren Einreisestempel für Brasilien. Jetzt fehlte nur noch eins, das Ticket für das Schiff auf dem wir einen Tag später auf dem Amazonas weiter ins Landesinnere Brasiliens reisen wollten. Dabei wurde uns sehr schnell klar, welche sprachliche Herausforderung auf uns in naher Zukunft zukommen sollte. Keiner von uns konnte nur einen Hauch portugiesisch und unsere Vermutung, dass in einem Grenzgebiet fast jeder beide Sprachen sprechen würde, bestätigten sich nicht. Ich machte die Erfahrung, die ich schon öfters gemacht hatte, nämlich, dass Brasilianer (sowie Portugiesen) spanisch sprechende Menschen wie uns recht gut verstehen, wir andersherum nur jedes fünfte Wort. Mit den genannten leichten Verständigungsproblemen bekamen wir unser Ticket direkt beim Kapitän des Schiffes, was am nächsten Tag zur Mittagszeit abfahren sollte. Wir verstanden, dass wir bereits zwei Stunden früher aufs Schiff konnten (oder eher gesagt sollten), damit wir unsere Hängematten auf Deck spannen konnten um nicht später die eher unbeliebten Plätze in der Nähe der Toilette oder des Motors zu ergattern. 


Am nächsten Tag ging es dann endlich los. Ich war nervös wie ein kleines Kind an Weihnachten. Vor mir lag eine Schiffreise mit Übernachtung in der Hängematte vor mir, von der ich noch nicht einmal wusste wir lange sie denn dauern würde. Das Schiff sollte nach 4 Tagen (3 Nächten) Manaus erreichen, eine Stadt mit fast zwei Millionen Einwohnern mitten im brasilianischen Regenwaldgebiet. Von dort aus gab es eigentlich nur zwei Möglichkeiten um weiter in Brasilien zu reisen. Entweder einen Flug in eine andere brasilianische Stadt buchen oder weiter mit einem anderen Schiff stromaufwärts auf dem Amazonas zu fahren. 


Tatsächlich ging ich zusammen mit Naoky in Manaus von Bord und entschlossen uns erstmal eine Pause von der Schifffahrt zu machen. Wir blieben 2 Tage in Manaus ohne irgendwelche nennenswerten Unternehmungen. Danach ging es wieder aufs Schiff. Diesmal nur für einundhalb Tage (1 Nacht) bis nach Santarem. Diese Stadt bot nicht mehr als Manaus. Daher blieben wir auch nicht dort, sondern fuhren ins 30 km entfernte Alter do Chão, einem kleinen Dorf am Rio Tapajós, einem Nebenfluss des Amazonas. Das Wasser dieses Flusses ist im Gegensatz zu dem vom Amazonas glasklar und darüberhinaus macht das Ufer sowie eine lange Sandbank zur gegenüberliegenden Insel Ilha do Amor (beides mit weisem Sand) zu einem wahren Stranderlebnis. Uns kam es wie ein kleines Paradies vor und das obwohl viele der Einheimischen uns erzählten (mittlerweile verstanden wir doch mehr portugiesisch), dass wir gut einen Monat zu früh gekommen waren, denn der Wasserstand des Tapajós war noch recht hoch, so dass Ufer und Sandbank noch nicht komplett zu sehen waren. Wir hatten auf jeden Fall einen riesen Spaß. Den ganzen Tag konnten wir baden als wären wir an einem Karibikstrand oder gemütlich in einem der Stühle der Strandbars, welche fast halb im Wasser standen, ein kühles Getränk zu uns nehmen. 


Nach drei Tagen an diesem schönen Ort ging es zurück zum Hafen von Santarem um wieder auf ein Schiff zu steigen. Für mich war klar, dass es auf dieser Reise meine letzte Schifffahrt auf dem Amazonas werden sollte. Ich hatte rund 4500 km auf diesem Fluss zurück gelegt und obwohl es mir sehr gefiel, wollte ich jetzt einfach mal was anders. Das Ziel nach 2 Tagen war Belém, eine wieder sehr große Stadt an der Mündung des Amazonas in den Atlantik. Als wir ankamen, war uns die leichte Erschöpfung auch anzumerken, auch wenn dieser letzte Abschnitt auf dem Fluss uns durch die teilweise gute Nähe zum Ufer uns nochmal atemberaubende Bilder bot. 


Vor allem mein japanischer Freund hatte sein sympatisches Lächeln kurzzeitig verloren. Ihm machte die mangelnde Abwechslung des Essens zu schaffen, zumal es auf dem Schiff immer das Gleiche gab (Reis, Bohnen, Nudeln mit etwas Fleisch oder Huhn). Dazu kam noch die Hitze, der man an Bord kaum  entfliehen konnte. Ich glaube, ich habe selten zuvor einen so glücklichen Asiaten gesehen, als zu dem Zeitpunkt als wir bei unserer ersten Nacht in Belém in unserem Hostelzimmer saßen, eine Pizza aßen und die Klimaanlage auf uns niederwehte.