Donnerstag, 20. August 2015

Lençóis Maranhenses - wahrlich Bettlaken, in denen ich gerne schlief

Nach drei Tagen in Belém, dieser großen Stadt, die statistisch gesehen mehr Kriminalität aufweist als São Paulo, war mir nur nach einem zumute, einem halbwechs sicheren Ort mit einer schönen und für mich neuen Umgebung. Ich verließ Belém mit dem Nachtbus nach São Luis nachdem ich mit Naoky noch einen Abschiedscaipirinha getrunken hatte. Doch São Luis sollte nach länger Überlegung doch nicht mein nächster Aufenthaltsort werden. Noch während der Fahrt entschied ich mich dazu, nach der Ankunft gar nicht erst in die Stadt reinzufahren, sondern am Busterminal (in Brasilien überall bekannt als Terminal Rodoviária) gleich auf den nächsten Bus in den Ort Barreirinhas zu warten. Dieser kleine touristische Ort am Rio Preguiça ist das Tor zu einem der bekanntesten Nationalparks Brasiliens, der Lençóis Maranhenses (auf portugiesich Bettlaken von Maranhão). Ich erreichte Barreirinhas wie schon so einige andere Orte auf dieser Reise erst nach Einbruch der Dunkelheit, etwas was ich gar nicht mag. Es liegt gar nicht daran, dass ich von Gefahr ausgehe, vielmehr ist es so, dass der erste Eindruck von einem neuen Ort etwas "düster" erscheint. Hinzu kommt, dass man noch seine Unterkunft suchen muss, falls man eine im Voraus sich ausgesucht hat oder manchmal sich überhaupt erst auf die Suche nach einer Bleibe machen muss, was ich sogar meist bevorzuge, weil die spontan gefundenen Hostels sich oft als die Besten ergeben. In Brasilien kann man manchmal sogar noch etwas über den Preis feilschen. Bei abendlicher Ankunft alles wie gesagt etwas schwieriger, zumal man auch müde von einer meist langen Fahrt ist. 
Aber genug jetzt mal von den Nebensächlichkeiten des Reisens und zurück zu Lençóis Maranhenses. Wer einmal dort war, weiß warum Lonely Planet es als einer der surrealsten Landschaften Südamerikas bezeichnet. Der Nationalpark, auch Brasiliens einzige Wüste genannt, mit seiner Größe von einundhalbtausend Quadratkilometern grenzt an die Atlantikküste des brasilianischen Bundesstaats Maranhão. Was man hier vorfindet, würde man an einer Küste und noch weniger im super-hitzigen Nordostbrasilien jedoch gar nicht erwarten. Weit und breit sichtet man Dünen aus feinem weisem Sand und dazwischen immer wieder kleine Lagunen, versteckt in der Tiefe zwischen den Dünen, so dass man sie nur sieht wenn man entweder über das Dünengebiet drüber fliegt oder auf Wüstenwanderschaft geht. Für Zweiteres werden von Barreirinhas jede Menge Tourmöglichkeiten zu für brasilianische Verhältnisse durchaus günstigen Preisen angeboten. Cineide, die extrem gastfreundliche Besitzerin meines kleinen Hostels, machte mir gleich drei Touren schmackhaft. Als sie mir dann noch den Transport zu meinem nächsten Ziel anbot und im Gesamtpreis dann noch etwas runter ging, sagte ich schließlich für alles zu. 
Die erste Tour ging am Morgen nach der Ankunft direkt ins Dünengebiet rein. Nach holpriger Fahrt mit dem Jeep durch Sandwege inklusive Flussüberquerung per Minifähre über den Rio Preguiça staunte ich nicht schlecht als ich mich auf einmal in der Wüste wiederfand. 


Noch erstaunlicher für mich war, dass man trotz der Megahitze hier gemütlich barfuss rumlaufen kann, also ohne irgendwelche Anzeichen sich die Füße zu verbrennen. Und kurz darauf erreicht man die erste Lagune, als würde man eine Fatamorgana vor sich sehen. Es handelt sich bei diesen Gewässern nicht etwa um verstautes Meerwasser sondern um Regenwasser, denn Niederschläge gibt es hier in der Regenzeit sehr viele. Morgens beim Frühstück bestätigte mir Cineide noch etwas, was ich schon zuvor im Internet gelesen hatte, dass ich nämlich im idealsten Monat den Nationalpark besuchte, denn Niederschläge sind in den Monaten zuvor sehr üblich, so dass der Wasserstand in den Lagunen höher ist als an allen anderen Monaten und somit Baden eine wahre Freude ist. 
Meine Nachmittagstour ging auch wieder ins Dünengebiet. Auch hier gab es wieder Lagunen, in dem man baden konnte. Aber das Besondere war hier die Höhe der Dünen. Einen Ausblick, der kaum in Worte zu fassen ist und dann auch noch Sonnenuntergang. 
 
 
Meine letzte Tour von Barreirinhas aus war zur Abwechslung mal wieder mit dem Boot. Es ging flussaufwärts den Rio Preguiça entlang. Ziel war das Dorf Caburé. Zunächst wurde eine kleine Siedlung mit einem Leuchtturm besucht, von wo aus man einen schönen Ausblick auf den Fluss sowie das weiter entfernte Meer hatte. Danach ging es noch an den Strand. Das Besondere an diesem war, dass dieser auf der einen Seite Zugang zum Atlantik hatte auf der anderen Seite zum Fluss. Beides optimale Badebedingunen. Einmal süß, einmal salzig und dazwischen wie überall in der Umgebung weiser Dünensand.


Mittwoch, 12. August 2015

Rio Amazonas - auf dem wasserreichsten Fluss der Welt in das größte Land Lateinamerikas

Bei meinem Abschied aus Bogotá Ende Juli spielten meine Gedanken ziemlich verrückt. Einerseits hatte ich mich sehr schnell und gerne an die Geborgenheit durch die Familie meiner Mutter gewöhnt, weshalb mir der Abschied echt schwer viel, und dies obwohl ich wusste, dass ich zum Ende meiner Reise zurückkommen würde um aus Bogotá nach Deutschland zurück zu fliegen. Andererseits war ich kurz vor einem meiner Highlights auf meiner Reise, einer langen Schifffahrt auf dem wasserreichsten Fluss der Welt, dem Rio Amazonas.


Um dieses Abenteuer beginnen zu können, musste ich gezwungenermaßen erstmal in einen Flieger steigen. Ziel war die Kleinstadt Leticia, dem südlichsten Punkt auf der Landkarte Kolumbiens. Hier gibt es weit und breit nicht viel außer zwei Dinge: Den scheinbar unendlichen Regenwald und den Amazonas. Zusammen mit Santa Rosa (Peru) und Tabatinga (Brasilien) stellt Leticia das Dreiländereck der drei Staaten am Amazonas dar. Leticia und Tabatinga sind quasi zusammengewachsen, so dass man ohne Grenzkontrolle einen Fuß auf brasilianischen Boden setzen kann. Lediglich für eine Weiterreise in Brasilien muss man sich einen Ausreisestempel holen. 
In meinem Hostel in Leticia (nur 5 Minuten von der gedachten Grenze zu Brasilien entfernt) lernte ich den sehr lebensfreudigen Japaner Naoky kennen. Sofort überraschte es mich, dass er für einen Asiaten erstaunlich gut Spanisch spricht. Als ich ihm dann erzählte, dass ich meine Reise vier Monate zuvor in Mexiko begonnen hatte, lächelte er äußerst erfreut und erzählte mit voller Stolz: "Ich lebe seit 10 Jahren in Mexiko, im Bundesstaat Baja California Sur (Süd-Niederkalifornien)." Naoky machte einen mehrmonatigen Urlaub während der Hurricane-Saison in seinem Zuhause in Mexiko, hielt sich zunächst mehrere Wochen an der Pazifikküste Perus auf und besuchte dort Freunde, die er über viele Jahre während seiner Leidenschaft, dem Surfen, kennen gelernt hatte. Da er noch über einen Monat Zeit hatte um in Mexiko wieder seine Arbeit als Sushi-Koch aufzunehmen, entschloss er sich, ähnlich wie ich, über den Amazonas nach Brasilien mit dem Schiff zu fahren. Als wir uns kennen lernten, hatte er bereits seine erste Schifffahrt hinter sich, nämlich von Iquitos in Peru (wo der Amazonas lt. vielen Meinungen beginnt) zum Dreiländereck. 
Nach zwei Nächten in Leticia machten mein neuer japanischer Freund und ich einen langen Spaziergang. Zunächst ging es zum 2 km entfernten Flughafen, an dem ich auch zwei Tage zuvor gelandet war. Dort mussten wir uns unseren Ausreisestempel von den kolumbianischen Behörden holen. Danach ging es mehrere Kilometer wieder in die andere Richtung, über die gedachte Grenze auf die brasilianische Seite zur Polícia Federal do Brasil in Tabatinga. Hier erhielten wir unseren Einreisestempel für Brasilien. Jetzt fehlte nur noch eins, das Ticket für das Schiff auf dem wir einen Tag später auf dem Amazonas weiter ins Landesinnere Brasiliens reisen wollten. Dabei wurde uns sehr schnell klar, welche sprachliche Herausforderung auf uns in naher Zukunft zukommen sollte. Keiner von uns konnte nur einen Hauch portugiesisch und unsere Vermutung, dass in einem Grenzgebiet fast jeder beide Sprachen sprechen würde, bestätigten sich nicht. Ich machte die Erfahrung, die ich schon öfters gemacht hatte, nämlich, dass Brasilianer (sowie Portugiesen) spanisch sprechende Menschen wie uns recht gut verstehen, wir andersherum nur jedes fünfte Wort. Mit den genannten leichten Verständigungsproblemen bekamen wir unser Ticket direkt beim Kapitän des Schiffes, was am nächsten Tag zur Mittagszeit abfahren sollte. Wir verstanden, dass wir bereits zwei Stunden früher aufs Schiff konnten (oder eher gesagt sollten), damit wir unsere Hängematten auf Deck spannen konnten um nicht später die eher unbeliebten Plätze in der Nähe der Toilette oder des Motors zu ergattern. 


Am nächsten Tag ging es dann endlich los. Ich war nervös wie ein kleines Kind an Weihnachten. Vor mir lag eine Schiffreise mit Übernachtung in der Hängematte vor mir, von der ich noch nicht einmal wusste wir lange sie denn dauern würde. Das Schiff sollte nach 4 Tagen (3 Nächten) Manaus erreichen, eine Stadt mit fast zwei Millionen Einwohnern mitten im brasilianischen Regenwaldgebiet. Von dort aus gab es eigentlich nur zwei Möglichkeiten um weiter in Brasilien zu reisen. Entweder einen Flug in eine andere brasilianische Stadt buchen oder weiter mit einem anderen Schiff stromaufwärts auf dem Amazonas zu fahren. 


Tatsächlich ging ich zusammen mit Naoky in Manaus von Bord und entschlossen uns erstmal eine Pause von der Schifffahrt zu machen. Wir blieben 2 Tage in Manaus ohne irgendwelche nennenswerten Unternehmungen. Danach ging es wieder aufs Schiff. Diesmal nur für einundhalb Tage (1 Nacht) bis nach Santarem. Diese Stadt bot nicht mehr als Manaus. Daher blieben wir auch nicht dort, sondern fuhren ins 30 km entfernte Alter do Chão, einem kleinen Dorf am Rio Tapajós, einem Nebenfluss des Amazonas. Das Wasser dieses Flusses ist im Gegensatz zu dem vom Amazonas glasklar und darüberhinaus macht das Ufer sowie eine lange Sandbank zur gegenüberliegenden Insel Ilha do Amor (beides mit weisem Sand) zu einem wahren Stranderlebnis. Uns kam es wie ein kleines Paradies vor und das obwohl viele der Einheimischen uns erzählten (mittlerweile verstanden wir doch mehr portugiesisch), dass wir gut einen Monat zu früh gekommen waren, denn der Wasserstand des Tapajós war noch recht hoch, so dass Ufer und Sandbank noch nicht komplett zu sehen waren. Wir hatten auf jeden Fall einen riesen Spaß. Den ganzen Tag konnten wir baden als wären wir an einem Karibikstrand oder gemütlich in einem der Stühle der Strandbars, welche fast halb im Wasser standen, ein kühles Getränk zu uns nehmen. 


Nach drei Tagen an diesem schönen Ort ging es zurück zum Hafen von Santarem um wieder auf ein Schiff zu steigen. Für mich war klar, dass es auf dieser Reise meine letzte Schifffahrt auf dem Amazonas werden sollte. Ich hatte rund 4500 km auf diesem Fluss zurück gelegt und obwohl es mir sehr gefiel, wollte ich jetzt einfach mal was anders. Das Ziel nach 2 Tagen war Belém, eine wieder sehr große Stadt an der Mündung des Amazonas in den Atlantik. Als wir ankamen, war uns die leichte Erschöpfung auch anzumerken, auch wenn dieser letzte Abschnitt auf dem Fluss uns durch die teilweise gute Nähe zum Ufer uns nochmal atemberaubende Bilder bot. 


Vor allem mein japanischer Freund hatte sein sympatisches Lächeln kurzzeitig verloren. Ihm machte die mangelnde Abwechslung des Essens zu schaffen, zumal es auf dem Schiff immer das Gleiche gab (Reis, Bohnen, Nudeln mit etwas Fleisch oder Huhn). Dazu kam noch die Hitze, der man an Bord kaum  entfliehen konnte. Ich glaube, ich habe selten zuvor einen so glücklichen Asiaten gesehen, als zu dem Zeitpunkt als wir bei unserer ersten Nacht in Belém in unserem Hostelzimmer saßen, eine Pizza aßen und die Klimaanlage auf uns niederwehte.