Dienstag, 2. Februar 2016

Mancora - "let's talk about the Misfit"

Wenn eine lange Reise dem Ende zugeht, dann neigen viele dazu, nochmal alles mögliche sehen und erleben zu wollen. Viele neigen auch dazu, einfach nur noch zu entspannen ohne großartig von Touristenfängern gestört zu werden. Als ich Mitte Dezember in Mancora ankam, hatte ich noch gute zwei Monate bis zu meinem Rückflug nach Deutschland. Als ich Mancora verließ, blieben mir nur noch etwas mehr als zwei Wochen. Wer jetzt denkt, ich hätte mich nach Jeri im Nordosten Brasiliens nochmals in einen Ort verliebt, dem muss ich wiedersprechen. Mancora selbst war nicht der Grund, weshalb ich über 6 Wochen nicht weiter reiste und mich dabei super wohl fühlte. 
Der Ort Mancora an der Pazifikküste im Nordosten von Peru war unter Reisenden schon immer recht beliebt. Weiße Sandstrände und gute Surfmöglichkeiten lockten schon so viele dorthin, auch deshalb weil viele entweder von Ecuador kommend oder auf den Weg dorthin eine Pause von langen Busfahrten machen wollten. Abseits der Strandflächen ist Mancora jedoch nichts weiter als eine vollgestopfte Durchfahrtssiedlung an der Panamericana. Bei einer Geräuschkulisse von hunderten von Autos und Tuktuks, reihen sich auf der Straße massenweise kleine Geschäfte und Restaurants. Das Besondere an diesem Ort sucht man eher vergeblich. 
Ich glaube, nicht viele hatten das Glück was ich in Mancora hatte, nämlich eine Unterkunft zu haben, die einfach mehr als das klassische Hostel darstellt. Wer schon mal in Mancora war und jetzt glaubt ich wäre in einem dieser überdimensionalen Gringo-Party-Hostels abgestiegen, den muss ich nochmals enttäuschen. Meine Unterkunft war das Misfit Hostel, eine großflächige aus weißem Sand bestehende Anlage mit einer zum Strand angrenzenden Sanddüne, bunt bemalten Bungalows und einer schattigen Chillzone mit Küche. Die maximale Kapazität bietet Platz für nur gerade mal 14 Reisende, was im Ergebnis heißt, dass es hier ruhig und ultra entspannt zugeht. Doch nicht nur die Lage machen dieses Hostel zu etwas Besonderem, sondern auch die Tatsache wie und von wem es geführt wird. Rodrigo (meist Rodri genannt), ein ohne Grenzen lustiger Portugiese und seine argentinische Freundin Dai wecken mit ihrer Freund- und Herzlichkeit so ziemlich jeden verschlafenen Geist auf. Hinzu kommen ihre fünf vierbeinigen Kinder, die jeden Hostelgast von einem Fremden sofort unterscheiden können und den ganzen Tag vom Spielen kaum wegzukriegen sind. 
Ich hatte eine Woche im Voraus gebucht, weil zum Jahresende die Verfügbarkeiten in Mancora bekanntlich äußerst knapp werden und ich außerdem meinen Geburtstag direkt am Strand verbringen wollte. Als diese Woche sich dem Ende neigte und mich Dai einige Male dabei erwischte wie ich Sand von den Tischen fegte oder Geschirr spülte, kam Rodri mit folgenden Worten auf mich zu: "Möchtest du länger bleiben? Falls ja, bleib so lange wie du willst. Und bleib doch als Freiwilliger und arbeite mit uns. Die Unterkunft ist dann natürlich umsonst für dich." Natürlich konnte ich hier nicht nein sagen, wollte ich auch nicht. Ich fühlte mich zu wohl und der Gedanke, Teil des Teams und Teil der Familie des Misfit Hostels zu sein, erweckte bei mir eine größere Neugier als die Möglichkeit gleich weiter nach Ecuador zu reisen. 


Da das Misfit weder eine Rezeption noch andere abgegrenzte Bereiche hat, ist meine "Arbeit" recht einfach dargestellt. Morgens das Frühstück bereit stellen, tagsüber Gäste auschecken, die schwerenherzens abreisen, neue Gäste willkommen heißen und ihnen ihr Zimmer zeigen, an der Bar Getränke verkaufen, die Küche sauber und ordentlich halten ... die meiste Zeit blieb mir zum chillen und für interessante Unterhaltungen zu anderen Reisenden. Für Heiligabend und Sylvester machten wir jeweils ein Barbecue für alle Hostelgäste und ich erklärte mich bereit Caipirinhas zuzubereiten, was dazu führte, dass ich zeitweise ins Schwitzen kam, da diese Getränke nur zu gern konsumiert wurden. 
Im neuen Jahr kam die Flut, bedingt durch das klimatische El Niño-Phänomen. Die Wellen wurden immer größer und kamen immer näher an die Anlage heran. Mancora hatte kaum noch weiße Sandflächen. Eine schöne Ausnahme hatte das Misfit Hostel, weshalb vorbeilaufende immer häufiger kurzfristig nach Verfügbarkeit fragten. Dennoch blieb das Hostel durch das steigende Meer nicht unbeschadet. Rodri, unser zweiter Freiwilliger Kris aus Dänemark und ich mussten an einem Tag einen Teil der überdachten Chillzone abbauen. Leider betraf dies die Fläche wo sich vorher die Hängematten drunter befanden. Doch wer dachte, die Kundschaft würde jetzt abreisen und neue Ankünfte fernbleiben, der irrte. 
Auch ich blieb weiterhin ohne irgend einen Gedanken an die mir verbleibende Zeit zu verschwenden. Es kamen auch immer aufs Neue interessante Gäste an, die sich ebenso wohl fühlten und ihren Aufenthalt stets verlängerten. Ich denke da z.B. an Lucy aus Australien, die sich ihre entspannte Ruhe einfach nicht nehmen lassen wollte und ganze drei mal verlängerte, das dritte mal sogar an einem Tag, für welches sie schon ein Busticket zur Weiterfahrt gebucht hatte. Ähnliches passierte auch dem einen oder anderen unserer deutschen Gäste. Milena aus München fiel der Abschied nach über einer Woche genauso schwer wie dem Halbindonesier Edwin. Theresa und Lea aus Mainz verliebten sich quasi sofort in die Anlage des Misfit Hostels und wollten so schnell nicht mehr weg.
Ich fühlte mich so wohl mit dem, was ich jeden Tag im Hostel tat. Wenn ich gerade nichts zu tun hatte, dann war ich entweder lustig oder entspannte mich so sehr, dass ich dazu nur den Sound des Meeres um mich herum benötigte und Internet und Kamera mir meistens einfach am Allerwertesten vorbei gingen. Erst nach meiner Abreise stellte ich fest, dass ich während der 6 Wochen kaum Bilder gemacht hatte, am allerwenigsten solche, auf denen die Menschen erscheinen, die meinen Aufenthalt im Misfit zu etwas unvergesslichem gemacht haben, insbesondere Rodri, Dai und Kris. 
Aus diesem Grund danke ich nachträglich Milena für das folgende Bild, auf dem sie selber, Kris und ich zu sehen sind. Es zeigt die Stimmung im Misfit Hostel nur zu gut. 


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