Montag, 30. November 2015

Lago Titicaca - ein See, so schön und doch so hoch

Nach La Paz brauchte ich wieder mehr natürlichen Sauerstoff. Wenn ich so schnell aus diesem Hochland mit dünner Luft nicht mehr rauskommen sollte, dann wollte ich doch wenigstens wieder mehr Frischluft und weniger Abgasse einatmen. Hinzukam, dass ich möglichst bald in Peru sein wollte. So sehr mir Bolivien auch gefiel, hörte ich meine innere Stimme sagen, dass ich mich möglichst bald in mein Geburtsland begeben sollte. 
Der Titicacasee (span. Lago Titicaca) zu ca. 40% bolivianisch und zu ca. 60% peruanisch, ist neben den Iguazu-Wasserfällen eines der Ländergrenzen Südamerikas mit der größten Naturattraktivität. Für beide Andenländer ist der See eine viel besuchte Destination von Touristen. Auf bolivianischer Seite blieb ich noch zwei Nächte im Ort namens Copacabana. Copacabana? Da war doch was. Ja genau, so heißt auch der berühmte Strand in Rio de Janeiro, den ich knapp zweieinhalb Monate zuvor besuchte. In meiner Vermutung, dass die Bolivianer diesen Namen von den Brasilianern kopiert hatten, um mehr Touristen anzuziehen, lag ich komplett falsch. Der Name entstand nämlich tatsächlich am Titicacasee durch die Aymara, eines der indigenen Völker aus den Anden-Staaten Bolivien, Peru und Chile. Der prominenteste der Aymara ist ohne Zweifel der derzeitige Präsident Boliviens, Evo Morales. In der Sprache der Aymara heißt Copacabana "quta qawana", was so viel bedeutet wie "Sicht auf den See". Nachdem Brasilianer aus Rio einst hier her kamen, tauften sie das später aufblühende Stadtviertel in Rio mit dem gleichen Namen. Weshalb? So genau weiß es keiner. Vermutlich war es die halbmondförmige Bucht mit den umliegenden Hügeln.


Im Bolivianischen Copacabana gibt es nicht allzu viel zu sehen. Eine Wanderung auf einen der umliegenden Hügel mit schönem Ausblick ist noch eines der Highlights. Erlebnisreicher war für mich dann doch der Tagesausflug auf die Isla de Sol (Sonneninsel). Auf dieser gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder man bleibt gleich übernacht auf der Insel oder man wandert innerhalb von zweieinhalb Stunden von der Nord- zur Südseite um dann wieder mit dem Boot zurück nach Copacabana zu fahren. Ich entschied mich für Zweiteres und merkte während der Wanderung mal wieder, dass ich mich noch immer im Anden-Hochland-Gebiet befand. Es wirkt schon etwas unglaubwürdig, aber der Titicacasee befindet sich tatsächlich auf einer Höhe von über 3800 Metern über dem Meeresspiegel. Die Luft wurde während der Wanderung also mal wieder etwas dünn, zumindest beim Aufstieg. Die höchste Erhebung der Insel, die man während der Wanderung erreicht, liegt bei knapp 4000 Metern. 


Gerade noch rechtzeitig erreichte das Boot am späten Nachmittag wieder Copacabana, damit ich noch in meinen Bus nach Puno in Peru steigen konnte. Nach weniger als einer halben Stunde Busfahrt bekam ich mal wieder einen Ausreise- und einen Einreisestempel mehr in meinem Pass. Ein Gefühl der Freude und Geborgenheit stieg in mir auf. Ich war in Peru, in meinem Geburtsland. Meine Familie und ich verließen dieses Land als ich gerade mal drei Jahre alt war. Erst vor vier Jahren kehrte ich für eine kurze Reise zurück. Aber jetzt war ich wieder hier, offenherzig und frei um das Land, in dem ich einst zur Welt kam, noch näher kennen zu lernen. 


Die Stadt Puno ist um einiges größer als Copacabana in Bolivien. Einige Gebäude im Stadtkern sind aus der Kolonialzeit erhalten geblieben. Der Rest ist eine Mischung zwischen Touristen- und Arbeiterstadt. Am Ufer des Titicacasees häufen sich die Anbieter, die Ausflüge zu den Inseln äußerst billig anbieten. Ich entschied mich für eine Zwei-Tages-Tour, die sich im Nachhinein als größtenteils unautentisch erwies aber dennoch ein schönes Erlebnis für mich war. Zunächst ging es auf eine der Urus, den schwimmenden aus Schilf erschaffenen Inseln. Unglaublich fand ich dabei mit welcher Sorgfalt die einzelnen Häuser und sogar die Boote ebenfalls aus Schilf erbaut sind. Mir aber auch klar, dass diese während meiner Tour besuchte Urus-Insel jedenfalls keine war, die tatsächlich bewohnt ist, sondern eine rein für den Tourismus präparierte Insel war. So schön diese kleine schwimmende Insel auch war, authentisch war sie nicht. 



Anschließend ging es auf die größere (normale nicht-schwimmende) Insel Amantaní, die von Nachfahren der Quechua bewohnt sind. In der Tour inklusive war eine Übernachtung mit Verpflegung bei einer der auf der Insel lebenden Quechua-Familien. Meine Gastgeber waren Gabriel und Alicia (ihre Quechua-Namen konnte ich nicht aussprechen). Alle Familien leben hier ohne fließendes Wasser und Strom bei den verschiedensten Witterungsbedingungen. Neben der Landwirtschaft ist die kurze Beherbergung von Touristen einzige Einnahmequelle für Familien wie die von Gabriel. 


Auf der Insel Taquile, die ich am zweiten Tag der Tour besuchte, wohnen ebenfalls Quechua-Familien. Diese führen für die täglich ankommenden Touristen Tänze auf und bereiten für diese auch Essen zu. 
Doch genauso wie im Tag zuvor bei dem Besuch der Urus-Insel, wurde mir aber auch hier wieder klar, wie weit die Kommerzialisierung des Tourismus am Titicacasee schon gekommen ist. Die Tänzer, die auch das Mittagessen für mich und die anderen Gruppenteilnehmer zubereiteten, waren wenig später - dann wieder weniger traditionell bekleidet - bei uns im Boot auf dem Weg zurück nach Puno. ;-)


Als ich nach Beendigung der Tour mich noch mit einer Holländerin, die mit von der Gruppe war unterhielt, meinte diese: "It was a big show, but it was nice anyway." So empfand ich es auch.

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